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Der Fall des Präsidenten – Rezension

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Es ist ein Präzedenzfall der kaum brisanter sein könnte: der Internationale Strafgerichtshof stellt einen vorläufigen Haftbefehl gegen den ehemaligen US-Präsidenten aus – als dieser für eine Veranstaltung in Athen landet, nehmen ihn die Behörden fest. Für die Juristin Dana Marin und ihre Mitstreiter beim ICC ist das eine nie für möglich gehaltene Chance, für den amtierenden US-Präsidenten, der gerade mitten im Wahlkampf steckt, ist es eine Katastrophe. Während das Weiße Haus offen droht und insgeheim bereits an einer Befreiungsaktion arbeitet, kämpft Dana Marin in Athen für die Überstellung des Ex-Präsidenten nach Den Haag. Ein Kampf gegen einen übermächtigen Gegner beginnt.

Ermöglicht wurde die Festnahme erst durch einen Whistleblower, der delikates Wissen über den ehemals mächtigsten Mann der Welt weitergegeben hat. Es geht um Kriegsverbrechen in Afghanistan, die Liste der Schrecken ist endlos. Was der Whistleblower jedoch nicht weiß: die US-Geheimdienste sind ihm bereits dicht auf den Fersen – und eins haben sie gewiss nicht: Skrupel.

Ein Polit-Thriller mit Bezug zur Realität

„Der Fall des Präsidenten“, der neue Thriller von „Blackout“-Autor Marc Elsberg, erschien Anfang März. Nicht nur das Erscheinungsdatum, auch der Inhalt von Elsbergs Thriller ist auffällig aktuell: sogar die Corona-Krise und ihre Auswirkungen werden am Rande thematisiert. Obwohl er fiktionale Präsidenten wählte, basieren viele ihrer Charaktereigenschaften und Amtshandlungen auf den tatsächlichen Präsidenten der USA, sodass ein authentisches Bild entsteht. Die Handlung mag einen unvorstellbaren Aufhänger haben, doch die Reaktionen der USA, das Tauziehen in der griechischen und europäischen Politik und Dana Marins ohnmächtiger Kampf für Gerechtigkeit, den sie mit den dürftigen Ressourcen des ICC durchführen muss, klingt an keiner Stelle unlogisch oder konstruiert.

Dass ein Ex-Präsident der USA unvermittelt verhaftet und für seine Amtshandlungen angeklagt werden soll, klingt erstmal unvorstellbar. Ich denke, es wird auch solange unvorstellbar klingen, bis jemand eine Chance nutzt und das Unvorstellbare möglich macht: scheinbar unantastbare Personen für ihre Straftaten zu belangen. Hinter diesem Plot steckt also mehr als ein simpler Thriller, sondern vielmehr eine zentrale Was-Wäre-Wenn-Frage á la Andreas Eschbach, die durchzuspielen auch aus politischer Sicht hochinteressant wäre.

Dramatische Action wie in einem James Bond-Film

Auf über 600 Seiten breitete Marc Elsberg nicht nur eine politisch aktuelle (vielleicht zeitlose) Frage aus, sondern verfasste auch einen Thriller, dem es nicht an Action fehlte. Komplexe Verstrickungen, bei denen er selbst die Lesenden in die Irre führte, groß angelegte Verfolgungsjagden und atemlose Spannung. An vielen Stellen war die Action eher angedeutet und wurde kaum aus direkter Nähe geschildert, was eindeutig nicht zu „Der Fall des Präsidenten“ gepasst hätte, denn der Thriller punktet eher durch seine realistische Herangehensweise und die Spannung, die in dem Moment selbst steckt; den Lesenden wird klar, was die Situation für die internationalen diplomatischen Beziehungen bedeutet. Und dann geht Marc Elsberg die Folgen konsequent durch.

Doch der Thriller punktete noch auf ganz andere Weise: nämlich durch eine unerwartete, romantische Beziehung, die auch eher angedeutet blieb, doch den ganzen Thriller etwas auflockerte und der Geschichte etwas Raum verschaffte.

„Mr. President, Sie haben das Recht zu schweigen!“

Insgesamt ging dieser Thriller leider viel zu schnell zu Ende. Tatsächlich ist „Der Fall des Präsidenten“ eine runde Story, die am Ende nicht versucht, eine Utopie darzustellen und uns einen möglichen Weg aufzwängt, sondern es uns vielmehr offen lässt, was wohl geschehen würde, würde genau dieser Fall in der Realität auftreten. Das Buch hat Potenzial einer meiner Highlights des angebrochenen Jahres zu werden – Spannung bietet Marc Elsbergs neuer Thriller auf jeden Fall genug.

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