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Rezension: Inepu – Die Herren des Schakals

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Bevor es heute richtig beginnt, noch ein kleiner Kommentar am Rande: denn der folgende Beitrag ist nicht von mir, sondern ein Gastbeitrag vom wunderbaren Moritz, auch bekannt von seinem Blog „Von der Seifenkiste herab“ und (ob das ein Zufall ist könnt ihr euch selbst überlegen) vom Mühlenhof-Podcast! Mal sehen, was er zu „Inepu – Die Herren des Schakals“ zu sagen hat…


Altes Ägypten, wilhelminisches Zeitalter, ein Ritual… Count me in! Zusätzlich zu den Schlagwörtern, die schon danach schreien, dass ich das Buch lesen möchte, sieht das gute Stück auch noch wirklich ausgezeichnet aus und liegt gerade im von mir gelesenen Hardcover super in der Hand. In der Umschlaggestaltung wurde das altägyptische Thema konsequent durchgezogen und die Anubis-Illustration deutet schon auf etwas hin, was nach wenigen Seiten verraten wird: Inepu ist eine andere Form von Anubis, dem Gott der Totenriten, den wir alle aus dem Was-ist-was-Band zum Alten Ägypten kennen. Nach der Lektüre kann ich euch gleich noch verraten, dass auch das Korrektorat gute Arbeit geleistet hat, ein vergeigtes „dass“ und eine falsche Trennung im Nachwort sind die einzigen Schnitzer. Grandiose Leistung für einen Kleinverlag.

Auch ein Pluspunkt ist die einleitende Karte vom München des Jahres 1889, ein einstimmendes Ringelnatz-Gedicht sowie die Tatsache, dass jedes Kapitel mit der wichtigsten handelnden Person und dem Handlungsort beginnt. Ein Service, der wirklich jedem Roman nicht schaden könnte.

Okay, genug der Einleitung, springen wir direkt in die Handlung – und ich werde versuchen, euch möglichst wenig bis nicht zu spoilern. Zu Beginn wird Hans Karmann, der Kurator einer demnächst eröffnenden Ausstellung, deren Prunkstück eine Anubismaske sein wird, ermordet.

Museumsdirektor Heinrich Kirch ruft zwei ungleiche Ermittlerinnen zu Hilfe, Ex-Fremdenlegionärin Rosa von Arnhem und ihre britische Partnerin Daisy Grace, die unter dem Deckmantel eines Blumengeschäfts eine Detektei betreiben. Ab diesem Zeitpunkt besteht der Roman aus zwei ineinander verarbeiteten aber ziemlich gleichrangigen Ebenen – der Handlung und der Entwicklung der Personen (sowohl an Zahl als auch an Persönlichkeit). Was die Handlung angeht, verfolgen die Heldinnen immer mehr unterschiedlich Spuren, die mal mehr und mal weniger ergiebig sind. Zwischendurch erhalten sie mehr oder weniger aus heiterem Himmel den Namen eines Verdächtigen, der wohl nicht nur für diesen Mord verantwortlich zeichnet. Aber für mich war die ganze Zeit über der Museumsdirektor der Hauptverdächtige. Naja, ihr werdet ja sehen.

Fast noch interessanter aber ist es, wie unsere Ermittlergruppe immer größer wird und wie sich die Charaktere verändern. Von Rosa erfahren wir, dass sie sich mit dem Polizisten Paul Kury in einer ebenso geheimen wie unsicheren Beziehung befindet. In Rückblenden erfahren wir immer mal wieder Dinge aus Rosas Vergangenheit und worin ihre Bindungsprobleme begründet liegen. Auch Daisy hat es zwar zuerst auf Franz Gattenbrink abgesehen, dem Doktor, der die beiden bei den Untersuchungen auf pathologischer Ebene unterstützt, lernt aber wenig später den mächtigen indischen Kunsthändler Maresh kennen und hier ist ja mal sowas von big love in der Luft.  Dass es in Daisys Vergangenheit dunkle Punkte gibt, mit denen sie bis heute ringt, muss ich euch wohl nicht extra sagen, oder?

Ich werde euch auch gerne verraten, weshalb es mit Gattenbrink nichts geworden ist, denn der interessiert sich nicht nur für Männer, sondern ist auch in dieser Beziehung ein gebranntes Kind. Auch über seine Vergangenheit erfahren wir immer mehr und vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass im Jahr 1889 eine Beziehung zwischen zwei Männern ein größeres Problem darstellte als 2020 (auch wenn wir natürlich 2020 auch gerne noch einen Tacken normaler damit umgehen dürften). Letztes Mitglied der in bester Pen-and-Paper-Manier auf sechs Personen angewachsenen Heldengruppe ist dann der junge Ägyptologe Carl Wilhelmi. Auch er scheint Männern nicht abgeneigt zu sein. Schade, dass Franz in der Vergangenheit Schlimmes durchmachen musste, denn sonst…

Die Schlinge um den Mörder zieht sich immer weiter zusammen und alles kulminiert in einem großen Finale, in dem die Ermittler mitten in ein uraltes Inepu-Ritual hineingeraten, in dem die Kultisten versuchen, Anubis höchstpersönlich zu beschwören. Aber hey! Hier passiert etwas völlig anderes als ich erwartet hatte! Solche Rituale enden immer in unfassbar viel Krach-Bumm-Peng, Blut, Chaos, Tentakel… Ihr wisst schon. Aber wahrscheinlich ist es nur meine Lese-Erwartung als alter weißer Mann und Spielleiter unendlich vieler Cthulhu-Abenteuer. Diese Lösung hier ist auch sehr elegant, kam aber für mich etwas aus heiterem Himmel. Aber hey! Der Bösewicht wird erwischt und alle anderen Kultisten entfernen sich mehr oder weniger unauffällig? „Was errlaube Kultiste? Gute Leute sind schwach wie ein Flasche leer!“ (Giovanni Trapattoni/Moritz Mehlem 2020)

Neben der schön mit den Personen verwobenen Handlung ist mir noch aufgefallen, dass die Autorin sich sehr bemüht hat, reale Orte, Personen und historische Ereignisse einzubinden. Ich finde da zahlt sich Recherche immer aus. Die Überlegung wie es aussehen würde, wenn die ägyptischen Götter auch heute noch existierten, gefällt mir auch sehr gut. Witzigerweise wird hier die (unbestätigte) Idee vertreten, dass Götter dann existieren würden, wenn noch Menschen an sie glauben – was wir Vielleser ja aus der Scheibenwelt von Terry Pratchett kennen.

Nun, welches Fazit soll ich hier ziehen? Es gab Ermittlungen, toughe Ermittlerinnen, tolle Reden für die Freiheit des Individuums, einen spannenden Kriminalfall, wilhelminisches Lokalkolorit im München des Jahres 1889, gute Charakterentwicklungen…

Ich war tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten und bin fast etwas traurig darüber, dass nun nach so kurzer Zeit alles vorbei ist. Okay, ich bin auch etwas traurig darüber, dass der Museumsdirektor nicht der Scherge des Bösen war, als den ich ihn die ganze Zeit über gesehen habe und dass der Fall für mich irgendwie unbefriedigend gelöst wurde. Aber hey, die Handlung und die Entwicklung der Personen schreien förmlich danach, dass wir es hier mit dem ersten Teil einer Reihe zu tun haben. Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass am Ende des Romans ein Godzilla-Ei überlebt hat…


Infos:

  • Autorin: Roxane Bicker
  • Verlag: Hybrid Verlag
  • Format: 258 Seiten (gebunden: 22,90 Euro, Taschenbuch: 13,90 Euro)
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