Kurzkrimi: Der Schreck am Fenster – Teil 1

Kurzkrimi: Der Schreck am Fenster – Teil 1

Hier könnt ihr einen originalen Kurzkrimi von mir „exklusiv“ auf Jaspers Buchblog lesen. Viel Spaß mit „Der Schreck am Fenster“!

Nun folgt ein ganz besonderer Beitrag: nämlich ein Kurzkrimi, den ich selbst verfasst habe. Er spielt im schottischen Edinburgh um 1890, Protagonisten sind der korpulente Detektiv Percy Blair und sein flinker Kollege Fitz Farnham. Aufgrund ihrer Länge habe ich die Geschichte in mehrere Teile aufgeteilt, die nach und nach erscheinen werden. Aufmerksame Leser werden vielleicht Ähnlichkeiten zu einem anderen berühmten fiktiven Detektiv der Zeit bemerken. Ich freue mich immer über eure Kritik – doch ich erhebe keinen Anspruch auf Perfektion. Und nun: Viel Spaß beim Lesen!

Erster Teil – 17.Oktober 1889, Edinburgh

Es war an einem Tag im Herbst, als uns eine neue Klientin aufsuchte. Der Tag war schon fast vergangen, es hatte in Strömen geregnet, und selbst am Abend klarte der Himmel nicht auf. Percy beschwerte sich – nicht jedoch über das schlechte Wetter – sondern die schwierige Lage unserer Detektei. Nicht, dass es an Fällen mangelte, nein. Das tat es in letzter Zeit nicht und das brachte eine ganz besondere Tücke: Percy wurde wählerisch und suchte nach den Fällen, die ihn am meisten interessierten, während er die anderen Fälle links liegen ließ, die eher trivialer Natur waren.

Die Klingel unseres Hauses in der Cockburn-Street läutete einmal, dann wieder – ein klares Zeichen für einen Klienten, der sich seiner Sache sicher war. Dann, als ich die Tür öffnete, stand mir eine ältere Frau gegenüber, in einen warmen Mantel gehüllt und mit einem Regenschirm in der Hand. Ich führte sie hinein und bot ihr Tee an, den sie dankend annahm. Dann stellte ich uns vor: meinen Kollegen Percy Blair und mich, Fitz Farnham. Percy wartete geduldig. Sie machte es sich auf unserem Besuchersofa bequem, die Hände auf die Knie gelegt.

„Was führt Sie denn zu uns, Mrs…“, begann er schließlich.

„…Kennton. Mein Name ist Aurelia Kennton und ich bin die Tochter eines Arztes.“

Sie hatte eine kräftige Stimme. Sie mochte schon alt sein, mit vielen Fältchen um ihren Mund, doch ihre Stimme war kräftig. Es war ihr Blick, der nicht recht zu ihrem Auftreten passte: er war unstet und es lag etwas in ihm, dass ich nur mit Angst beschreiben kann.

„Und was führt Sie zu uns, Mrs Kennton?“, fragte Percy erneut.

„Nun, vielleicht sollte ich von vorn anfangen. Wie gesagt, ich bin Tochter eines Arztes und, nun, komme aus einem guten Hause. Ich habe früh geheiratet, und mein Mann, der ebenfalls Arzt war, übernahm nach dem Tod meines Vaters dessen Praxis. Wir haben keine Kinder und da er vor drei Jahren gestorben ist, wohne ich jetzt allein. Ich lebe noch immer in unserem Haus, im Westen von Edinburgh, ich habe dort einen kleinen verwilderten Garten. Leben tue ich von unseren Ersparnissen und meiner kleinen Witwenrente. Ich habe nicht viel zu tun, ich erzähle Ihnen das, weil ich nicht weiß, was wichtig ist und was nicht.“

Percy, der mit halb geschlossenen Augen zugehört hatte, bedeutete ihr fortzufahren.

„Bitte, machen Sie weiter, Mrs. Kennton,“, sagte er, „mein Kollege Fitz Farnham notiert alles für später. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen.“

„Sehr nett, Mr. Blair“, sagte sie und fuhr fort: „ich möchte Ihnen nun von dem erzählen, was mich hierherführt. Denn es ist ja wegen ihm, dem Gesicht.“, als sie weitersprach, wurde ihre Stimme immer schneller und sie verhaspelte sich beinahe. Es war, als habe sie sich vorher nur mühsam beherrschen können und als bräche nun all die Furcht aus ihr hervor, die sie verborgen hatte.

„Es war Vorgestern, da arbeitete ich in meiner Küche. Meine Küche ist ebenerdig, müssen Sie wissen, mit zwei Fenstern direkt hinaus in meinen verwilderten Garten. Ich hatte schon so ein merkwürdiges Gefühl, das bekommt man doch als Hausfrau, besonders wenn man so lange allein wohnt wie ich. Ich habe direkt vor dem Fenster gestanden, habe ich das schon erwähnt? Und gearbeitet. Und plötzlich spüre ich so etwas Merkwürdiges und schaue auf – und da steht er.“, ein Schaudern durchfuhr ihre Stimme, „Ein Mann stand da, direkt vor meinem Fenster. Er starrte mich an und sein Blick war so leer, so als würde er mich nicht sehen. Dann streiften seine Augen mich und sie waren so leer und zeigten einfach nur Kälte, als wären sie tot. Da habe ich geschrien und mit einem Mal da… war er weg.“

„Weg?“, fragte ich, „Wie weg?“

„Nun, verschwunden, mit einem Mal. Ich war den ganzen Tag sehr nervös und habe mich den Fenstern nicht mehr genähert und Gott sei Dank kam abends mein Nachbar vorbei, um den Kuchen abzuholen.“

„Haben Sie mit Ihrem Nachbarn über den Vorfall gesprochen, Mrs. Kennton?“, fragte Percy.

„Nein das habe ich nicht, Mr. Blair, aber Sie müssen wissen, dass er nicht so alt ist wie ich. Und manchmal denken die jungen Leute, ich würde mir solche Dinge nur einbilden. Aber das tue ich nicht, ganz bestimmt nicht, Mr. Blair!“

„Glauben Sie nicht, dass sich vielleicht jemand einen Scherz mit Ihnen erlaubt hat, Mrs. Kennton?“, fragte ich, von meinem Notizzettel aufblickend. „Oder vielleicht war es nur ein Landstreicher!“

„Oh nein, so war es nicht.“, rief Mrs. Kennton.

„Mrs. Kennton hat uns auch noch nicht erzählt was heute vorgefallen ist. Der Vorfall, der sie schließlich zu uns geführt hat.“, bemerkte Percy.

„Ganz Recht, Mr. Blair, denn das war noch nicht alles.“, sagte sie, „Denn ich hatte heute den Vorfall schon fast vergessen. Heute Morgen kam die Frau aus der Kirche auf einen Tee vorbei, und ich habe den ganzen Vormittag mit ihr geplaudert – hach was die heute zu erzählen hatte! Und als sie dann ging, hatte ich den Vorfall schon fast vergessen. Doch es war ein Fehler wie ich jetzt weiß, denn ich las in meinem Wohnzimmer, als es plötzlich an mein Fenster poltert. Ich habe aufgesehen und es war, als hätte der Leibhaftige selbst vor mir gestanden! Der Mann war wieder da, doch diesmal starrte er mich an, die Hände rechts und links an die Scheibe gedrückt, das Gesicht zu einer Fratze verzogen. Und ich konnte durch die Scheibe sein irres Lachen hören, als er wieder gegen die Scheibe schlug. Da fiel mir mein Buch aus der Hand, und ich warf vor Schreck die Teekanne in meinem Wohnzimmer um und da war er plötzlich wieder weg, wie weggezaubert. Und ich wusste, dass ich etwas tun musste, und weil ich von Ihnen im The Scotsman gelesen habe, kam ich hierher.“

„Verzeihen Sie die Frage, aber… wie kommt es, dass sie uns aufsuchen. Bitte, wir fühlen uns geschmeichelt, aber warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?“

„Weil man mir da eh nicht geglaubt hätte.“

„Wieso denn nicht? Bisher klang doch alles sehr glaubwürdig, wenn sich mir auch kein Sinn ergibt.“, sagte Percy.

„Ich habe Ihnen ja auch noch nicht alles erzählt. Denn der Mann, der da wie aus der Erde gewachsen vor mir stand, war ja nicht irgendwer. Es war mein Mann. Mein toter Mann.“

Ich sog geräuschvoll die Luft ein, während Percy ganz stillsaß. Er war in Gedanken versunken, von einem Moment auf den anderen, was seine Art war, Überraschung auszudrücken. Ich stieß die Luft, die ich eingesogen hatte, wieder aus und er blickte auf.

„Sind Sie sicher? Sind Sie wirklich sicher?“

„Sie wollen mir doch wohl nicht unterstellen, ich könne meinen eigenen Mann nicht erkennen!“, rief sie empört.

„Und ist er wirklich tot?“, fragte ich vorsichtig.

„Da gibt es keinen Zweifel. Vor drei Jahren bekam er starkes Fieber und obwohl er selbst Arzt war und ihn auch viele andere Ärzte untersuchten, konnte man ihn nicht heilen. Er starb nach nur drei Wochen. Ich selbst war auf seiner Beerdigung und habe an seinem Grab geweint. Ja, er ist tot!“

„Und wie erklären Sie sich,“, fragte Percy, „dass er sie nun bei Ihnen zuhause heimsucht?“

„Gar nicht, Mr. Blair!“, rief Mrs. Kennton hysterisch, „Darum komme ich ja zu Ihnen! Sie haben einen guten Ruf und wie ich in der Zeitung gelesen habe, haben Sie schon vielen Menschen helfen können. Bitte, Mr. Blair, klären Sie meinen Fall auf! Ich halte das nicht aus.“

„Nun, Fitz, es sollte eigentlich nichts dagegen sprechen… der Fall mit dem Förster kann eigentlich noch ein bisschen warten.“

„Und was ist mit dem gestohlenen Smaragd?“, wand ich ein.

Es war mir, als hätte Mrs. Kennton bei Erwähnung des Smarags geblinzelt. Ganz, als habe sie davon bereits zuvor gehört. Aber wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein.

Percy winkte ab und wandte sich an Mrs. Kennton:

„Bitte, lassen Sie uns doch Ihre Adresse hier, Mr. Farnham ruft Ihnen indessen eine Droschke. Heute ist es schon zu dunkel, um sich umzusehen, hoffen wir, dass wir morgen früh noch etwas finden können.“

Damit reichte er ihr einen goldenen Federhalter, riss ein Blatt Papier von einem Notizblock und reichte ihn ihr.

„Aber bevor Sie gehen,“, sagte Percy, „noch eine Bitte: nähern Sie sich bis wir bei Ihnen sind nicht den Fenstern! Wir wollen den vermeintlichen Geist nicht unnötig herausfordern.“

„Ja, das werde ich Mr. Blair.“


Das war der erste Teil meines Kurzkrimis. Ich hoffe, es hat euch bis hierher gefallen – nutzt doch die Kommentarspalte, um mir Feedback zu geben! Hier geht es direkt weiter mit dem zweiten Teil.

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