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Höllenkind – Rezension

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Clara Vidalis Karriere als Berliner Kriminalkommissarin scheint nach einem spektakulär gescheiterten Fall einen herben Schlag erlitten zu haben – ihren Vorgesetzten bleibt nichts, als sie zu beurlauben. Um dem Medientrubel zu entgehen, beschließt Clara, Urlaub in Florenz zu machen.

Kurz zuvor ging ein Ereignis durch die europäische Presse, das weithin nur noch als „Bluthochzeit“ bekannt ist: eine prunkvolle Hochzeit in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Eigentlich war sie als Verbindung zwischen zwei traditionsreichen italienischen Adelsfamilien geplant – doch sie endete in einem Blutbad und mit einer toten Braut. Die Ermittler des Vatikans sind überfordert, die Familien drängen auf Diskretion. Da hören die zuständigen Ermittler von einer deutschen Patho-Psychologin und Kommissarin, die bereits in Italien ermittelte und sich zufällig gerade dort aufhält: Clara Vidalis.

Schauplätze

Wer etwas über italienische Kunst, Architektur und Geschichte lernen möchte, dem kann ich dieses Buch nur empfehlen. In ihrem 8. Fall – und meinem ersten mit der Protagonistin – führte es Clara Vidalis in den Vatikan, nach Rom und nach Florenz. Der Vatikan, Kirchen, öffentliche Plätze: alle Schauplätze beschrieb der Autor Veit Etzold nicht nur aufs Detail, sondern untermauerte die Beschreibung auch mit geschickt gesetzten historischen Fakten. Dan Brown-artig (und das betonten die Charaktere selbst immer wieder) wurde auch die jüngere und ältere Geschichte des Vatikans regelmäßig thematisiert und in die Handlung eingebunden. Das ganze Buch hatte etwas von dem Urlaub, den viele Lesende jetzt bitter nötig hätten – nur, dass für gewöhnlich niemand die Dinge im Urlaub erlebt, die Clara Vidalis mitmachen musste.

Im Thriller „Höllenkind“ von Veit Etzold, der Anfang April bei Knaur erschien, ist Clara Vidalis die Hauptperson. An ihrer Seite ist ihr Ehemann zu finden: ein Psychologe, genannt McDeath. Zusammen ergeben sie ein Team, welches schon manchen Serienmörder zur Strecke brachte. Der ganze Thriller brilliert durch seine durchweg lockeren Dialoge, häufig mit Witz und Eleganz, die an manchen Stellen fast schon zu rhetorisch aufgeladen waren. Besonders McDeath war ein Charakter, der mich sofort interessierte: immer wieder streute er Parallelen zu anderen Büchern und Filmen ein, nach dem Motto: „Das ist ja wie bei…“. Auf mich wirkte er authentisch und war eine wahre Bereicherung für den Thriller.

McDeath vs Vidalis

Wer dagegen unter McDeaths stark ausgeprägtem Charakter litt, war die Protagonistin selbst, die es nie schaffte, aus seinem Schatten herauszutreten. Selbst wenn sie einmal allein unterwegs war, ging es primär um den Urlaub. Anstatt, dass Clara Vidalis selbst die Untersuchungen in die Hand nahm, lieferte stets McDeath die historischen Anekdoten für die nächste Teillösung des Falls. Während ich den Thriller las, gefiel mir ihre Untätigkeit ganz und gar nicht – oft wollte ich ihr zurufen: mach endlich!

Dazu kam, dass zeitgleich ein paar Morde zu viel passierten. Zwar legt Veit Etzold auf ziemlich düstere Weise eine faszinierende Kreativität an den Tag, wenn es um die Inszenierung von Morden ging. Doch was fehlte, waren Abweichungen vom Schema – dass einmal eben doch kein Mord geschehen wäre, obwohl die Lesenden es an dieser Stelle erwartet hätten.

Dialoge mit Biss

Die Protagonistin konnte mich nicht überzeugen, auch der Fall hätte an mancher Stelle etwas mehr Tempo vertragen – doch allen Kritikpunkten zum Trotz faszinierte mich dieser Thriller. Nicht zuletzt aufgrund der lockeren Dialoge, die ihresgleichen suchen. Die detailreiche Beschreibung und die angenehme Unterfütterung mit Fakten aus der italienischen (Kunst-)Geschichte machen es außerdem zu einer wahren Fundgrube. Veit Etzolds scheinbare Faszination für das Thema war regelrecht ansteckend – sodass ich, während ich las, häufig Wikipedia nach weiterführenden Informationen zu Themen befragte, auf die das Buch am Rande einging. Ist das nicht etwas wirklich Schönes?

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