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Kurzkrimi: Der Schreck am Fenster – Teil 4

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Schon geht es weiter. Nach diesem seltsamen Ende vom 3. Teil, erwarten uns jetzt einige sehr unerwartete Wendungen der Geschichte. Hier geht es zum Anfang des Kurzkrimis.

Percy lachte noch lauter, hielt sich jetzt sogar den Bauch vor Lachen.

„Ich verstehe nicht, was das mit unserem Fall zu tun haben soll.“, sagte ich stur.

„Weil Mrs. Kennton genau das getan hat,“, lachte Percy, „sie hat uns auf den Arm genommen!“

Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich gebe zu, das hatte ich vorher auch nicht. Niemand versteht die Welt, wenn ich mir die kleine Bemerkung erlauben darf. Doch Tatsache war, dass ich die Welt jetzt schlechter verstand als vorher.

„Es hat nie irgendeine Erscheinung gegeben, Fitz. Mrs. Kennton hat ganz einfach gelogen.“

Es brauchte einen Moment, bis mir die ganze Tragweite von dem klar wurde, was Percy soeben gesagt hatte. Mrs. Kennton hatte gelogen? Sie war nie einem Geist begegnet?

„Und was ist mit dem, was ich gesehen habe?“, warf ich ein.

„Sie haben nichts gesehen.“, langsam beruhigte sich Percy wieder, „Sie dachten es nur. Es lag an dem Stress und der Erkenntnis, dass wir einfach nichts tun konnten, um den vermeintlichen Geist zu stoppen. Darum haben Sie sich eingebildet, jemand würde Sie vom Fenster aus beobachten. Aber haben Sie wirklich etwas gesehen? Sie konnten uns doch auch nicht mehr sagen, als dass es eben nur ein Gefühl war. Ein Gefühl und nichts weiter.“

Ich konnte mir nicht eingestehen, dass er Recht hatte. Ich sollte mir so etwas eingebildet haben? Andererseits konnte ich tatsächlich nicht beschwören, ob wirklich etwas an meinem Gefühl dran gewesen war.

„Als ich den Brief von Smith Baker gesehen habe, kamen mir sofort Bedenken.“, sagte Percy, „Ich bin mir sicher, dass er es ist, der hinter der Sache steckt. Wahrscheinlich war in dem Brief eine hohe Summe Geld, oder zumindest die Aussicht auf solches, sollte Mrs. Kennton ihm helfen.“

„Und wozu das Ganze?“, fragte ich schließlich.

„Ganz einfach.“, sagte er, „Um uns ein paar Tage zu beschäftigen. Ein paar Tage, in denen wir uns nicht mit den Dingen befassen konnten, die sonst Vorrang gehabt hätten.“

„Es sollte uns also von einem anderen Fall ablenken?“, fragte ich, „Aber von welchem?“

„Da kommen wir zu diesem Telegramm hier, das gestern gekommen ist.“, sagte Percy.

Er öffnete den Umschlag und holte einen kleinen Zettel hervor.

„Es ist von Inspector Wallace. Es geht um den gestohlenen Smaragd, er bittet uns erneut um Hilfe und diesmal… oh, es gibt sogar eine Belohnung. Ich glaube es ist genau dieser Fall, von dem Smith Baker uns ablenken wollte.“

„Und was machen wir jetzt mit Mrs. Kennton?“, fragte ich.

„Nichts.“, sagte Percy, „Sie hat schließlich kein Verbrechen begangen. Oder zumindest können wir ihr noch keins nachweisen. Ich würde sagen, wir machen einfach genau das, was unser Gegner nicht will.“

„Und was wäre das?“

„Wir finden den Smaragd!“

Nach dem Frühstück schwangen wir uns unsere Mäntel um, Percy griff den Regenschirm mit dem geschwungenen Griff und ich die Tasche mit der Ausrüstung und schon ging es hinaus auf die Straße. Diesmal schritt Percy voran, voller Energie und Tatendrang und es lag an mir – der ich eigentlich die längeren Beine habe – mit ihm schrittzuhalten. Mit dem Regenschirm winkte er die nächste Droschke heran und rief dem Fahrer beim Einsteigen zu:

„Zum Central Hotel! Wenn wir in zehn Minuten da sind, spendiere ich eine Half-Crown extra!“

Noch als ich die Tür hinter uns zuzog, knallte der Droschkenfahrer mit der Peitsche und die Pferde preschten los. Er heizte, als hinge sein Leben davon ab. Und während die Kutsche vom Kopfsteinpflaster durchgeschüttelt wurde, saß Percy mir zufrieden gegenüber auf der Bank.

„Ich weiß nicht viel über den Fall.“, gestand ich.

„Viel weiß ich auch nicht, nur was in der Zeitung stand.“, erwiderte er, „Aus einem Zimmer im Central Hotel wurde offenbar vor drei Tagen ein Smaragd mit einem Wert von mehreren tausend Pfund gestohlen. Ich nahm an, dass man die Diebe schnell fassen würde, denn es schien nichts Aufwendiges an dem Fall. Doch zweierlei Dinge besagen klar, dass ich mich geirrt habe. Einmal ist da das Ablenkungsmanöver durch Mrs. Kennton. Und dann ist da der Fakt, dass die Polizei offenbar keine Spur hat, da die Täter zu vorsichtig vorgegangen sind.“

„Keine Spur?“

„Zumindest haben Sie nichts gefunden.“, merkte Percy an, „Aber bei Inspector Wallace heißt das, wie Sie wissen, wenig. Er schickte mir bereits am ersten Ermittlungstag ein Telegramm und bat mich um Hilfe, aber der Fall erschien mir zu trivial. Interessanter ist jetzt, dass die Besitzerin des Smaragdes eine Belohnung von 500 Pfund für die Beschaffung des Edelsteins ausgesetzt hat. Es scheint sich um eine Dame niederen Adels aus London zu handeln, eine gewisse Lady Whitewood.“

„Und warum sind wir so in Eile?“

„Die Zeit drängt, denn der Dieb des Smaragdes muss schon bald entkommen sein, auf welchem Weg auch immer.“, sagte Percy und stoppte kurz, als die Kutsche über ein besonders tiefes Schlagloch fuhr. „Es ist eine einfache Schlussfolgerung: wenn Smith Baker diesen Plan geschmiedet hat, dann geht er vorsichtig vor und hat alles von Anfang bis Ende geplant. Als der Inspector uns kontaktierte, bekam der Dieb davon Wind – oder vielleicht hat er sogar schon damit gerechnet, denn schließlich passiert das nicht zum ersten Mal – und sorgte für Ablenkung: er engagierte Mrs. Kennton. Doch Smith Baker muss klar gewesen sein, dass diese Ablenkung nur für kurze Zeit wirken würde und Inspector Wallace früher oder später mit unserer Hilfe auf seine Spur kommen würde. Trotzdem plante er die Ablenkung aber nur für ein paar wenige Tage. Warum? Da er nach Ablauf einer gewissen Zeit in Sicherheit zu sein scheint.“

Ich sah ihn entsetzt an.

„Aber diese Zeit kann ja jeden Moment ablaufen!“, rief ich.

„Darum müssen wir Smith Baker finden.“, entgegnete Percy, „Sofort!“

Die Kutsche hielt und Percy schwang sich hinaus und bezahlte den Droschkenfahrer für seine Mühen. Wir schritten in die bescheidene Eingangshalle des Central Hotel, das zwar nicht zu den günstigen Hotels zählte, aber auch nicht unbedingt den besten Ruf hatte. Vor dem Empfangstresen wartete Inspector Wallace.

„Da sind Sie ja, Mr. Blair! Und den lieben Kollegen Mr. Farnham haben Sie auch dabei. Ich war erleichtert, als ich heute Morgen Ihr Telegramm erhalten habe, in dem Sie ihre Hilfe bestätigt haben. Seit Sie vor drei Tagen so bestimmt abgesagt haben, war ich mir nicht mehr sicher…“

Der Inspector war dicklich und klein und sein schlohweißes Haar klebte schwitzig auf seiner Stirn. Er fingerte nervös in seinen Jackettaschen herum, wie es seine Angewohnheit war. Die Marke vom Scotland Yard hing aus seiner Manteltasche, darunter zeichnete sich der Umriss seiner Dienstwaffe ab. Er kratzte sich an seinem (wie immer) schlecht rasierten Kinn und sah uns entgegen. Ich stellte den Koffer mit der Ausrüstung ab, um ihm nach Percy die Hand zu schütteln, doch Percy rauschte am Inspector vorbei.

„Wo ist der Tatort Inspector? Wir haben keine Zeit!“

„Nun gut, wenn Sie es plötzlich eilig haben Mr. Blair… es ist im ersten Stock, Zimmer 56.“


Ach, das war aber unverhofft! Ja, in der Tat. Oder hätte man es von Anfang an bemerken können? Den nächsten – und endgültig letzten – Teil des Krimis könnt ihr über diesen Link finden. Dort werden wir uns ein letztes Mal nach Schottland und in die Cockburn-Street begeben, um den Fall zu lösen. Doch vorher muss noch etwas Entscheidendes herausgefunden werden!

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